Lockdown und Wein
Gedanken zum Weinkonsum im Lockdown
Wie sich der Lockdown aufs allgemeine Geschäft auswirkt, kann man sich leicht ausmalen, wenn man die leeren Fußgängerzonen sieht. Über den düsteren Blick trösten auch keine Zahlen hinweg, die vorgaukeln, dass es gar nicht so schlecht stünde um die deutsche Wirtschaft. Denn wer nur auf die Summe unterm Strich schaut, verliert aus dem Blick, dass viele kleine und mittlere Betriebe zu den Verlierern gehören, während wenige große Konzerne die Gewinne machen ...
Doch wie steht es um das Geschäft mit dem Wein? "Trotz Corona und Lockdown: Deutsche trinken mehr Wein" – lautet sinngemäß eine oft gelesen Schlagzeile.
War der Lockdown jetzt gut oder schlecht fürs Weingeschäft ...
Hört man sich so um, dann kommt man zu der Erkenntnis, dass es in der Weinbranche völlig unterschiedliche Aussagen gibt. "Den im Lockdown geringeren Umsatz bei Gastronomie und Events haben wir durch ein besseres Onlinegeschäft fast wettgemacht", verkünden die einen, "keine Gastronomie, keine privaten Feste, keine großen Veranstaltungen, das kann auch der steigende Onlineverkauf nicht ausgleichen" lautet ein anderes Fazit.
Was denn nun? Ich denke, es ist eine sehr differenzierte Betrachtung vonnöten. Natürlich haben die Menschen während des Lockdowns mehr Wein zu Hause getrunken als auswärts.
Das ist klar. Aber ob in der Summe wirklich mehr konsumiert wurde? Sicher haben viele Leute ihren Wein in dieser Zeit im Supermarkt gekauft. Davon profitierten dann diejenigen, die im LEH gut vertreten sind. Vor allem starke Marken kommen dabei gut weg, weil im Supermarkt gerne den bekannten Brands der Vorzug gegeben wird.
Der Besuch auf einem Weingut oder in einer Vinothek ist dem gegenüber unter den geltenden Hygienebestimmungen bei weitem nicht so angenehm wie sonst. Für viele Winzer hat sich aber der Trend zur virtuellen Weinprobe ausgezahlt. Wenn man dabei sympathisch und unterhaltsam rüberkommt, geht auf diesem Wege sicher einiges.
Ich persönlich tue mir etwa schwer damit. Nach meiner ersten digitalen Weinprobe war ich etwas enttäuscht und stellte fest: Es ist nicht mein Ding, in kleinstem Kreis mehrere Weine nacheinander zu öffnen, zu verkosten und diese dann ... wieder wegzustellen? Alleine leer zu trinken? Oder wie machten das andere? Zum Glück gibt es bereits interessante Angebote mit Kleinflaschen, die sehr erfolgreich laufen. (z.B. https://www.vinogether.com). Sicher lassen sich noch weitere kreative Ideen entwickeln, um Online-Weinproben zu optimieren ...
Natürlich gibt es reichlich Potential, um die Weinvermarktung selbst im Lockdown voranzutreiben. Allerdings mangelt es dennoch am schönsten Trinkanlass überhaupt: Dem Beisammensein in geselliger Runde. Ich gehöre jedenfalls zu den Menschen, die es eher deprimierend finden, alleine zu trinken. Also gehe ich nahezu alkoholfrei durch diese Zeiten, denn während der letzten Monate war unser Hund mein wichtigster Begleiter und der ist leider dem Wein weniger zugetan.
Übrigens würde mich mein Weg in Sachen Wein auch im Lockdown lange nicht zum Supermarkt führen. Denn wie fast alle Weinfreaks habe ich die Angewohnheit, prinzipiell mehr Wein zuhause zu haben, als ich im Alltag trinke. Wer eher gehobene Weine mag, hat in der Regel einen Kellervorrat, der schon vor Corona übertrieben war. Zumindest kenne ich das so von den meisten meiner weinaffinen Freunde. In den Wochen des Lockdowns wird der Vorrat dann erstmal weggetrunken. Das Gute daran: Er wird mit Sicherheit irgendwann auch wieder aufgefüllt.
Wohin geht also die Reise? Meiner bescheidenen Meinung nach, werden die Verluste bei Events und Gastronomie durch die Verkäufe ab Hof, im Handel und online nur bedingt wettgemacht. Vor allem beim Sekt dürfte es deutliche Einbußen gegeben haben. Beim Wein wird vielleicht erst mal vieles länger lagern und später verkauft - was ja ist nicht die schlechteste Entwicklung ist. Dann könnte die Euphorie um die frisch gefüllten Jungweine endlich der Erkenntnis weichen, dass manch einem Wein etwas Reife durchaus guttut. Da kann man ja fast von Glück reden, dass der letzte Weinjahrgang zwar tolle Qualitäten, aber eher zurückhaltende Mengen lieferte. So kommen die Lagerkapazitäten nicht ganz so schnell an ihre Grenzen ...
Auch der Online-Handel hat sich durch Corona endgültig über fast alle Altersgruppen hinweg etabliert und wird auch nach Corona bestens laufen. Ob und wie sich die Gastronomie erholt bleibt abzuwarten. Das Thema "Event" wird sicher in Zukunft eine andere Wertschätzung erfahren. Und vielleicht wird nach dem Lockdown auf lange Sicht sogar weniger, dafür aber umso bewusster gefeiert.
Wir werden sehen, wie es weitergeht. Zum Glück sind die meisten Winzer berufsbedingte Zweckoptimisten und darum überwiegend guter Dinge.