Grüne Kreuze gegen Nebel in den Köpfen
Soviel vorweg: Ich liebe die Natur. Und ich liebe Lebensmittel und guten Wein, kaufe inzwischen zu 96% regional ein, von konventionellen ebenso wie von Biolandwirten und Winzern. Und das ist richtig lecker.
Und alle diese Landwirte und Winzer verwenden Pflanzenschutzmittel, damit die Sachen so frisch und lecker sind, wie sie sind.
Etliche dieser Winzer und Landwirte sind aktuell sehr, sehr zornig, ziehen auf ihre Äcker und in die Reben, um grüne Kreuze aufzustellen. Ein Ausdruck ihres hoffnungsvollen Protestes. Denn grün ist ja bekanntlich die Farbe der Hoffnung, Kreuze hingegen aber leider nicht nur ein Zeichen des Glaubens sondern auch des Todes, des Endes; ein Mahnmal eben ...
Was ist passiert?
August 2019: Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner (CDU) spricht sich für ein Verbot von Pflanzenschutzmitteln wie Glyphosat aus, gefolgt von ihrer Kollegin, Bundesumweltministerin Svenja Schulze, die ankündigte, den Einsatz solcher Pflanzenschutzmittel bereits vor einem gesetzlichen Verbot spürbar einzuschränken. Ziel sei eine Reduzierung der Einsatzmengen um 75% bis spätestens 2022, so die SPD-Politikerin. In der Pflanzenschutz-Anwendungsverordnung werde es dazu eine Reihe von Restriktionen geben. Genannt werden unter anderem ein Verbot der Anwendung vor der Ernte sowie eine deutliche Beschränkung des Einsatzes vor der Aussaat und nach der Ernte.
Soweit der Bericht aus Berlin.
Klingt vordergründig – ich möchte vielmehr sagen „oberflächlich betrachtet“ - vernünftig. Doch (ungeachtet der Frage, ob hier Stimmungsmache, Wahlkampf oder was auch immer betrieben werden) darf den beiden Damen – ebenso wie einer Volksinitiative aus Stuttgart – die Tatsache vorgeworfen werden, dass man offenbar überhaupt kein Gespräch zu den Landwirten gesucht hat.
So funktioniert doch keine Demokratie!
In Stuttgart wurde fast zeitgleich eine leidenschaftliche und wahrscheinlich auch gut gemeinte Initiative ins Leben gerufen mit dem pfiffigen und werbewirksamen Titel „ProBiene“. Da springt meine Mutter sofort drauf an. Ziel der Initiative war, Unterschriften für das „Volksbegehren Artenschutz“ zu sammeln, um ähnlich dem Ansinnen der oben genannten Politikerinnen einen schnellstmöglichen Stopp zum Einsatz von Pflanzenschutzmitteln zu erzielen.
Nochmal: ich liebe die Natur (inklusive Bienen, die bei mir zu Hause massenhaft zu Gast sind), gutes regionales Essen und guten deutschen Wein. Das Reduzieren von Pestiziden und von Chemie generell begrüße ich ebenfalls nachdrücklich. Besser heute als morgen.
Doch ist die Tatsache, dass weder Berlin noch Stuttgart einmal den Dialog zu Landwirten gesucht haben, ebenso wie die aberwitzige zeitliche Dimension der Forderungen genau das, was die Landwirte auf die Palme bringt. Und zum grünen Kreuz greifen lässt.
Ich will mal Vergleiche erfinden:
Wer für erneuerbare Energien wirbt, meint das sicher gut. Wer aber die Umstellung auf Ökostrom innerhalb von 1 ½ Jahren fordert, mutet dagegen irrwitzig und naiv an, wie ich finde.
Wer sich in sein (konventionelles) Auto setzt und zu einer Massendemo für die sofortige Einstellung zur Produktion von konventionellen Treibstoffen fährt, hat nicht mehr alle Tassen im ..., Nein, hat wahrscheinlich einfach nur nicht weit genug gedacht. Oder überhaupt nicht gedacht?
Und darf hier mal den lieben Kilian Schneider, Weinbaupräsident Badens aus dem schönen Oberbergen am Kaiserstuhl zitieren. Wobei „lieb“ meine persönliche Sympathie zu ihm meint. Ich mag den Kerl und Weinstreiter. Leider ist Kilian aktuell alles andere als lieb, sondern vielmehr stinksauer und ziemlich aufgeregt. Was ihm Gottlob bisher seinen äußerst eigenen Humor aber noch nicht zerstört hat.
So sagte er am 22. Oktober 2019 in seiner Rede zu Ehren des neuen DFB-Präsidenten Fritz Keller (ein Orts- und Weinkollege von Kilian):
„... ich habe es scheinbar mit Menschen zu tun, denen ich sagen muss, dass man ohne Medikamente kein Krankenhaus führen kann, dass man ohne Pflanzenschutz keinen Weinberg bewirtschaften kann und bald muss ich Ihnen wohl noch sagen, dass man ohne Ball nicht Fußball spielen kann. Aber das musst du machen, lieber Fritz Keller, denn mir werden sie es wohl wieder nicht glauben ...“.
Weil ich das ganze Thema aber alles andere als witzig finde, habe ich am 26. Oktober 2019 zusammen mit einem fähigen Tischler (Michael Henke: 1.000 Dank!) und einem Winzer (Lieber Frank Espenschied, auch Dir sei von Herzen gedankt) – beide wie ich Volxheimer – hier in Rheinhessen ein grünes Kreuz aufgestellt.
Meine Motivation? Mindestens 4 Gründe:
#1 Ich fühle mich mit den Landwirten und Winzern (genauso wie mit Naturfreunden) im Herzen, in der Seele und im Kopf verbunden.
#2 Nicht zuletzt, lebe ich mit meiner Agentur in starkem Maße von Unternehmen aus der Landwirtschaft, die unsere Auftraggeber sind. Von meiner Company leben aktuell rund 10 Familien.
#3 Die grünen Kreuze sind nicht nur ein stiller Protest gegen die überzogenen Gesetze gegen Pflanzenschutz, sondern auch (oder vor allem?) gegen steigende Auflagenflut, überzogene Bürokratie, Dumpingpreise für Lebensmittel, Essen und unfaire Handelspolitik!
Darüber könnte ich abendfüllend mit Euch diskutieren.
Aber in erster Line, will ich mal eine Diskussion anstoßen. Über Sinn und Unsinn, Maß und Maßhaltigkeit, über Ökologie, heimische Lebensmittel, Geist, Vernunft, Mathematik, Geregeltes und Freies und vieles mehr.
Wer sich mit mir darüber austauschen möchte, schreibt mir gerne eine Mail unter
gegen-dummheit(at)quantum-x.de
oder ruft mich an unter
0049 6703 30 19 0.
Ich freue mich auf faire, konstruktive und sachliche Dialoge!
Ihr/Euer Martin Reiss
P.S.: Umweltschutz finde ich geil. Aber – wie Hermann Pilz, Chefredakteur der WEINWIRTSCHAFT - kürzlich schrieb: „Klimaschutz darf kein Freibrief für grünen Staatssozialismus sein. Diskussion und Streit gehören zur Demokratie“. Das will ich gerne so unterschreiben.
P.P.S.: In einem Gespräch mit Josefine Schlumberger, der Herausgeberin der Broschüre „ProBiene. Volksbegehren. SO nicht!“ erzählte sie mir kürzlich, wie aufgeheizt die ganzen Diskussionen aktuell zwischen Klimaschützern und Landwirten seien. Von beiden Seiten würde es sehr schnell hoch aggressiv, persönlich angreifend und ganz krass unter die Gürtellinie gehen.
Leute, das hat doch echt keiner nötig und bringt niemanden voran.
Die kleine Broschüre von Josefine Schlumberger können Sie übrigens auch bei mir anfordern.
Die letzte Kiste ist noch da.
First come, first serve.
P.P.P.S.: nur um vorzubeugen: Ja, unser Kreuz ist um 45 Grad gedreht. Anders als die zahlreichen anderen grünen Kreuze quer durch die Republik von Hamburg bis Stuttgart.
Das nennt man ein Andreaskreuz, weil der heilige Andreas an so einer fiesen Konstruktion ermordet wurde.
Es ändert aber nix an der Intention (siehe oben). Und das X bezieht sich – kaum Marketing-affin – auf meine kleine Company Quantum X, Agentur für Strategie, Konzept und Design.
Denn: „Tue Gutes und rede darüber!“, sagte schon ...
Nee, das war nicht Andreas, sondern irgend ein mehr oder weniger kluger Römer. Genaueres unbekannt.
Salut!